Berliner Seminar Recht im Kontext
Mo. 03 Nov. 2014 | 18:00–20:00

Vollverschleierung im öffentlichen Raum: Sind Verbotsnormen zu rechtfertigen?

Tatjana Hörnle (Berlin)

Wissenschaftskolleg zu Berlin, Villa Jaffé, Wallotstr. 10, 14193 Berlin

Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, ob das Tragen eines Gesichtsschleiers im Strafrecht oder Ordnungswidrigkeitenrecht bestraft werden sollte, d.h. ob dem deutschen Gesetzgeber der Erlass einer solchen Verbotsnorm zu empfehlen wäre. Ausgangspunkt ist dabei nicht eine detaillierte Untersuchung der europarechtlichen Rechtslage und der Beurteilung eines einschlägigen Falles durch den EGMR (Urteil vom 1.7.2014, S.A.S. v. France), sondern eine Analyse auf der Basis einer (verfassungsrechtlich verankerten) Kriminalisierungstheorie. Auch wenn der EGMR Entscheidungen der nationalen Gesetzgeber für ein Vollverschleierungsverbot nicht entgegen tritt, bleibt die entscheidende Frage zu beantworten: Ließe sich für ein solches Verbot ein relevantes Schutzgut ausmachen? Erörtert wird zunächst, ob Argumente des Typus „Schutz von Individuen“ (etwa: Schutz der negativen Religionsfreiheit anderer oder Schutz der betroffenen Frauen vor Zwang) einen überzeugenden Ausgangspunkt bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob Basis eines Verbots Interessen der Allgemeinheit (etwa: Schutz vor verfassungsfeindlichen Aussagen oder Schutz der Grundlagen einer offenen Bürgergesellschaft) sein könnten.

Bio
Tatjana Hörnle studierte Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen und absolvierte ihr Referendariat in Berlin. Im Anschluss daran erwarb sie 1993 ihren Master of Arts in Criminal Justice von der Rutgers University. Von 1993 bis 1999 war Tatjana Hörnle als wissenschaftliche Assistentin an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig. Ihre Promotion, die 1998 erfolgte, widmete sie dem Thema „Tatproportionale Strafzumessung“. Von 2000 bis 2003 war sie Habilitationsstipendiatin der DFG und verfasste ihre Habilitationsschrift zum Thema „Grob anstößiges Verhalten – Strafnormen zum Schutz von Moral, Gefühlen und Tabus“. Während sie zunächst von 2004 bis 2009 den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Ruhr-Universität Bochum innehatte, folgte sie 2009 dem Ruf an die Humboldt-Universität zu Berlin auf den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung. 2012 erfolgten Rufe an die Universität Freiburg und die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Tatjana Hörnle jedoch nicht annahm.
Tatjana Hörnles neueste Monographien sind „Kriminalstrafe ohne Schuldvorwurf“ (Baden-Baden 2013), „Criminal Law: A Comparative Approach“ (zusammen mit M. Dubber) (Oxford 2014), „Kultur, Religion, Strafrecht – neue Herausforderungen in einer pluralistischen Gesellschaft, Gutachten für den 70. Dt. Juristentag“ (München 2014) und „Oxford Handbook of Criminal Law“ (hrsg. von M. Dubber/T. Hörnle, Oxford 2014).

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