Berliner Seminar Recht im Kontext
Mo. 04 Juni 2012 | 19:00–21:00

Missbrauch von Marktmacht oder Missbrauch des Kartellrechts?

Johannes Zöttl (Düsseldorf); Moderation: Moritz Renner (Berlin)

Wissenschaftskolleg zu Berlin, Villa Jaffé, Wallotstr. 10, 14193 Berlin

Verbote des Missbrauchs von Marktmacht gehören zum Kernbestand der deutschen, europäischen und US-amerikanischen Kartellrechtsordnungen. Sie prägen - jedenfalls in Deutschland – die öffentliche Diskussion über Erfolg und Misserfolg von Kartellrecht.

Dem ersten Anschein nach liegen §§ 19 f. GWB, Art. 102 AEUV und Section 2 Sherman Act ähnliche Wertvorstellungen zu Grunde. Tatsächlich jedoch bestehen erhebliche Unsicherheiten über die Grenzen dieser Verbote, und an keinem Punkt weichen die ordnungspolitischen Leitvorstellungen in Europa und den USA so weit voneinander ab wie hier.

Diese Unschärfen werden im Bereich des Preishöhenmissbrauchs besonders deutlich. Wann steht es Verwaltung und Gerichten zu, über den „gerechten“ Preis zu befinden? Ein aktuelles Beispiel aus der deutschen Gerichtspraxis belegt, dass man hierzulande nicht davor zurückschreckt, auf Grundlage von Kartellrecht Preise zu regulieren. Auf Ebene des EU-Kartellrechts ist die Zurückhaltung größer. In ihrem Papier zu den Verfolgungsprioritäten hat die Europäische Kommission Fragen des Ausbeutungsmissbrauchs sogar ausgeklammert. In den USA schließlich herrscht die Vorstellung vor, dass eine legitim erworbene Marktmachtstellung das Recht einschließt, von ihr Gebrauch zu machen.

Derartige Unschärfen sind für den Praktiker überaus bedauerlich, weil sie eine sinnvolle Rechtsberatung erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Es stellt sich die Frage, ob Deutschland juristisch und ökonomisch gut daran tut, mit kartellrechtlichem Instrumentarium eine staatliche Preisaufsicht zu etablieren.

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